Globale Märkte: Kapitalflucht!

Investoren flüchten angesichts geopolitischer Spannungen und Handelskonflikte in Schwellenländer wie Brasilien und Mexiko, während Notenbanken unterschiedliche Wege gehen.

Die Kernpunkte:
  • Lateinamerika zieht Kapital mit günstigen Bewertungen an
  • Handelsgespräche zwischen USA und China unter Beobachtung
  • EZB erwartet weitere Zinssenkungen trotz Lagarde-Rhetorik
  • Geopolitische Spannungen treiben Militärausgaben hoch

Die globalen Finanzmärkte stehen unter Hochspannung. Angesichts schwelender Handelskonflikte, neuer geopolitischer Realitäten und einer höchst unterschiedlichen Gangart der großen Notenbanken suchen Investoren nervös nach neuen Ankerpunkten für ihr Kapital. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen zu Beginn dieser Woche die kritischen Handelsgespräche zwischen den USA und China, die in London stattfinden und deren Ausgang die Marktstimmung maßgeblich beeinflussen dürfte. Doch die Nervosität reicht tiefer: Es ist eine grundlegende Neubewertung von Chancen und Risiken im Gange.

Lateinamerika: Der neue Hoffnungsträger?

Während etablierte Märkte unter Druck geraten, rückt eine Region verstärkt in den Fokus internationaler Investoren: Lateinamerika. Die Daten zu Portfolioflüssen deuten darauf hin, dass viele Anleger dort noch unterinvestiert sind, obwohl Aktienmärkte wie in Brasilien und Mexiko nahe Rekordhochs notieren und Staatsanleihen weiterhin attraktive Renditen bieten. "Die Story für Lateinamerika lässt sich derzeit einfacher erzählen, da die Aktien günstig sind und es an Alternativen in den Schwellenmärkten mangelt", erklärt Leonard Linnet, Leiter Aktien bei Itau BBA. China stecke im Epizentrum des Handelskrieges, Indien sei teurer und habe eigene geopolitische Spannungen, während Russland für viele Investoren tabu sei.

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Brasilien und Mexiko, die regionalen Schwergewichte, ziehen das meiste Kapital an. Ihre Aktienmärkte handeln trotz Höchstständen zu vergleichsweise niedrigen Bewertungen. So zahlen Anleger für jeden Dollar Gewinn in Lateinamerika laut MSCI-Daten aktuell etwas mehr als 9 US-Dollar, verglichen mit über 19 US-Dollar in entwickelten Märkten. Brasilien beispielsweise notiert mit einem Abschlag von 23% zu seinem eigenen historischen Bewertungsdurchschnitt. Hinzu kommt eine lockerere Geldpolitik, die zusätzlich für Fantasie sorgt. So hat Brasiliens Real, gestützt durch einen Leitzins von 14,75%, in diesem Jahr bereits 9% gegenüber dem US-Dollar zugelegt und gilt als eine der bevorzugten Carry-Trade-Währungen. Der lateinamerikanische Währungsindex erreichte erst vergangene Woche ein 14-Jahres-Hoch.

Doch nicht alle Märkte der Region sind gleichermaßen zugänglich. Illiquidität oder fehlende Investment-Grade-Ratings schrecken manche Institutionen ab. Andere sehen gerade in diesem risikoreicheren Umfeld höhere Renditechancen. "Die Investmentchance in Lateinamerika erfordert keine großen Änderungen in der globalen Vermögensallokation", merkte Rob Citrone, Gründer des globalen Makro-Hedgefonds Discovery Capital, kürzlich gegenüber seinen Investoren an. Kleine Verschiebungen aus großen Märkten wie den USA könnten bereits signifikante Auswirkungen auf kleinere Märkte wie die meisten in Lateinamerika haben. Selbst das lange gemiedene Argentinien weckt wieder Interesse, nachdem die Kapitalkontrollen Mitte April weitgehend aufgehoben wurden und die Dollaranleihen des Landes seit der Wahl von Präsident Javier Milei Ende 2023 über 100% zugelegt haben.

Handelspolitik: Das Damoklesschwert über den Märkten

Die Verlagerung von Kapitalströmen ist auch eine direkte Folge der angespannten globalen Handelsbeziehungen. Die heute in London beginnenden Gespräche zwischen hochrangigen Vertretern der USA – darunter Finanzminister Scott Bessent und Handelsbeauftragter Jamieson Greer – und der chinesischen Delegation um Vizepremier He Lifeng werden mit Argusaugen beobachtet. China kämpft mit Deflation, während die Handelsunsicherheit die Stimmung bei US-Unternehmen und Verbrauchern drückt. "Der Verlauf der Handelsgespräche wird definitiv entscheidend für die allgemeine Stimmung sein", betont Kit Juckes, Chef-Devisenstratege bei Societe Generale. Besonders die Währungen im asiatisch-pazifischen Raum dürften stark auf Nachrichten aus London reagieren.

Die Nervosität wird durch die Intransparenz mancher handelspolitischer Folgen noch verstärkt. So sorgte in den USA kürzlich die Verzögerung und inhaltliche Redaktion eines Berichts des Landwirtschaftsministeriums (USDA) für Aufsehen. Analysten äußerten Bedenken hinsichtlich der Integrität der Regierungsdaten, nachdem das USDA Befunde unterschlagen hatte, die Zölle als Grund für ein prognostiziertes Wachstum des Agrarhandelsdefizits nannten. Der letztlich veröffentlichte Bericht wies zwar korrekte Daten aus – ein erwartetes Defizit von 49,5 Milliarden US-Dollar für das Fiskaljahr 2025 – jedoch fehlte der übliche erläuternde Text, der die Ursachen analysiert. Dies schürt Sorgen, dass politische Erwägungen die objektive Berichterstattung beeinflussen.

Die Auswirkungen solcher handelspolitischer Maßnahmen sind weitreichend und dürften auch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) beschäftigen. Später in dieser Woche werden Inflationsdaten für Mai aus den USA erwartet. Dies ist der erste Monat, in dem die Effekte der von Präsident Trump angekündigten Universalzölle von 10% auf Importe (außerhalb des USMCA-Abkommens mit Mexiko und Kanada) sichtbar werden könnten. Die Fed, so die Einschätzung von Analysten der ANZ Bank, wird mehrere Monate an Inflationsdaten benötigen, um die Auswirkungen der Zölle und vor allem deren Persistenz beurteilen zu können. Entsprechend signalisieren Fed-Vertreter keine Eile bei Zinssenkungen. Zins-Futures deuten frühestens auf eine mögliche Senkung um 25 Basispunkte im Oktober dieses Jahres hin.

Geldpolitik: Ein globaler Spagat der Notenbanken

Während die Fed eine abwartende Haltung einnimmt, scheint die Europäische Zentralbank (EZB) zu weiteren Lockerungen bereit. Trotz einer eher restriktiv klingenden Rhetorik von Präsidentin Christine Lagarde, die das Ende des aktuellen Lockerungszyklus andeutete, erwarten Analysten von Barclays zwei weitere Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte im September und Dezember dieses Jahres. Die Begründung: Die Kerninflation im Euroraum ist im Mai auf 2,3% gefallen, und die Gesamtinflation lag mit 1,9% unter dem EZB-Ziel von 2%. Die Inflationsprognosen von Barclays deuten darauf hin, dass die Teuerung bis 2026 unter dem Zielwert bleiben wird.

Auch die Wachstumsaussichten für die Eurozone sind gedämpft. Zwar wuchs das BIP im ersten Quartal um 0,6%, doch dieser Wert wurde durch einen Anstieg des irischen BIP um 9,7% verzerrt, der eher multinationale Aktivitäten als die heimische Nachfrage widerspiegelt. Ohne Irland betrug das Wachstum lediglich 0,3%. Jüngste Daten zur Industrieproduktion aus Deutschland, Frankreich und Spanien waren rückläufig, und auch die Wachstumsannahmen der EZB für 2025 (0,9%) erscheinen angesichts des konjunkturellen Gegenwinds und verzögerter fiskalischer Impulse optimistisch.

Auf der anderen Seite des Globus kämpft Japan mit den Folgen steigender Anleiherenditen. Wie Anfang dieser Woche aus informierten Kreisen bekannt wurde, erwägt die japanische Regierung den Rückkauf einiger in der Vergangenheit zu niedrigen Zinsen ausgegebener, sehr langlaufender Staatsanleihen (JGBs). Dies soll eine übermäßige Versorgung des Marktes mit Super-Langläufern adressieren und einen abrupten Zinsanstieg eindämmen. Die Renditen für 30-jährige JGBs waren im Mai auf bis zu 3,185% gestiegen. Die Bank of Japan wird voraussichtlich bei ihrer nächsten Sitzung Mitte Juni ihr aktuelles Anleihekaufprogramm bestätigen, aber möglicherweise eine Verlangsamung des Taperings ab dem nächsten Fiskaljahr in Betracht ziehen. Diese unterschiedlichen geldpolitischen Pfade haben direkte Auswirkungen auf die globalen Währungsmärkte. Der US-Dollar gab zu Wochenbeginn gegenüber den meisten Hauptwährungen nach, während der Euro und das britische Pfund zulegten.

Geopolitik fordert ihren Tribut

Die angespannte geopolitische Lage manifestiert sich auch in steigenden Staatsausgaben. So wird erwartet, dass der kanadische Premierminister Mark Carney heute einen neuen Investitionsplan für Sicherheit und Verteidigung vorstellen wird. Dieser Plan soll es Kanada ermöglichen, das NATO-Ziel von Militärausgaben in Höhe von 2% des Bruttoinlandsprodukts bereits in diesem Fiskaljahr zu erreichen und in den Folgejahren sogar zu übertreffen. Im Jahr 2024 lag Kanada laut Schätzungen der Allianz noch im unteren Bereich der NATO-Mitglieder. Die milliardenschweren Mehrausgaben sollen unter anderem in höhere Besoldung, neue Flugzeuge, gepanzerte Fahrzeuge, Munition und Drohnen fließen. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass geopolitische Erwägungen zunehmend die Fiskalpolitik und damit auch die Rahmenbedingungen für die globalen Finanzmärkte beeinflussen.

Die kommenden Wochen und Monate versprechen an den globalen Finanzmärkten weiterhin hohe Volatilität. Investoren müssen die Entwicklungen im Bereich Handelspolitik, die Reaktionen der Notenbanken und die geopolitischen Verwerfungen genauestens im Auge behalten, um in einem sich rasant wandelnden Umfeld die richtigen Anlageentscheidungen treffen zu können. Die Suche nach Rendite bei gleichzeitigem Risikomanagement bleibt die zentrale Herausforderung.

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