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Last Call! – Der Marktbericht am Abend: Mit Lufthansa, TUI, Continental, Commerzbank, Tesla und Amazon

Guten Abend,

gestern war es endlich so weit: Der Nasdaq, Index der High-Tech-Götter, setzte mit 10.000 Punkten einen weiteren Börsen-Meilenstein – und das inmitten einer Zeit der Unruhen und einer auslaufenden Pandemie. Und die Reflexe funktionieren einwandfrei: zu teuer, zu viel Risiko, zu leichtsinnig, zu naiv, zu abgekoppelt von der Realität (was auch immer diese sein soll).

Alles Unsinn!

Ich frage mich manchmal: lesen die Menschen keine Geschichtsbücher mehr?! Seit Tausenden von Jahren Menschheitsgeschichte haben Kriege und Krisen jedweder Art immer zu einem Innovationsschub geführt. Immer! Seit der Steinzeit, über das Abendland, den Römern, dem Mittelalter und der Weltkriege. Denn nicht umsonst heißt es ja auch „Not macht erfinderisch“!

Was wir also sehen, ist im Wesentlichen nichts anderes als der Beginn, oder vielmehr eine Beschleunigung dessen, was wir schon seit 30 Jahren jeden Tag erleben und fördern: mehr Tech! Und in der Pandemie haben wir alle es ja auch gespürt: da geht noch was! Und zwar sehr viel! Viele Bürger haben zum ersten Mal Onlinebanking genutzt, weil sie bei 25 Grad keine Lust haben mit Maske in der Schlange zu stehen. Essen wurde geliefert, gearbeitet zu Hause, die Kids vor den Streaming-Kanal oder dem iPad, welches mit der Schule verbunden war, gesetzt, Ärzte machen Beratung online, einkaufen sowieso, und wer lieber mit dem Auto fährt anstelle der Bahn, überlegt den Erwerb eines E-Auto oder E-Bike, damit wenigstens das Gewissen erleichtert wird.

Roboter werden viele Aufgaben übernehmen, und die Konvergenz von KI, synthetischer Biologe, Robotik und anderen Technologien wird dazu führen, dass wir in 20 Jahren (so lange ist es übrigens schon her, seit der Neue Markt implodiert ist) uns fragen werden, was zum Teufel ist noch mal ein Geldautomat? (Fragen Sie mal einen Teenager, was eine Wählscheibe ist!)

Hinzu kommt, dass Nachhaltigkeit jetzt anders gesehen wird. Es geht nicht nur um die Umwelt, sondern um uns und unser Leben bzw. die Lebensqualität. ESG – Environment, Social, Governance. Ein Anlageansatz, bei dem die Umwelt-, Sozial- und Verhaltens-Ratings der Unternehmen (Governance) neben den traditionellen Finanzkennzahlen bewertet werden, hat bereits 2019 zu Veränderungen in den Kapitalströmen geführt. Bisher verzeichnen in den USA notierte nachhaltige Fonds trotz der Marktturbulenzen in diesem Jahr Rekordzuflüsse.

Ist ja auch klar. Denn stets sind Kapitalmärkte verlässliche Frühindikatoren für kommende Trends und Veränderung im Konsum- und Investitionsverhalten. Krisen, Crashs und geopolitische Störfeuer entpuppen sich im Nachhinein als Geburtsstunde neuer Muster. Nach Corona werden die Menschen ihre Werte und Prioritäten neu sortieren.

Das alles spielt sich u.a. im Nasdaq ab. Hier werden sie geboren, die Ideen, Produkte und Dienstleistungen der Zukunft, und – wir werden sie lieben! Natürlich ist eine Apple noch lange nicht ausgereizt, denn der Wandel vom iPhone-Hersteller zu einem Dienstleister hat gerade erst begonnen. Tesla ist mit 950 Dollar überhaupt nicht teuer, sondern steht an der Schwelle einer weiteren Wachstumsphase. Ich könnte jetzt noch aberdutzende ähnliche Fälle nennen, aber ich denke, ihr habt schon verstanden, was ich meine.

Also: Das Rekordhoch im Nasdaq ist nicht zustande gekommen, weil die Pandemie aus den Köpfen verschwunden ist, sondern gerade weil deren Folgen hier effektiv verarbeitet werden!

Die Lage auf einen Blick:

DAX: Orientierungs- und Lustlosigkeit, aber das darf auch mal sein. Meinen Kommentaren von gestern ist nichts hinzuzufügen heute. Alles wartet sowieso auf die Fed.

Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq: Nach den super Arbeitsmarktdaten folgen jetzt weitere „Überraschungen“ im Häusermarkt: Steigende Zinsen haben einen Ansturm der Hypothekennachfrage von Eigenheimkäufern nicht verhindert! Die Kreditanträge stiegen in der vergangenen Woche gegenüber der Vorwoche um 5% und waren laut dem saisonbereinigten Index der Mortgage Bankers Association um 13% höher als vor einem Jahr.  Die Erholung auf dem Einkaufsmarkt gewinnt also weiter an Fahrt, und der saisonbereinigte Index steigt auf den höchsten Stand seit Januar. Folglich hat die Kaufaktivität die achte Woche in Folge zugenommen. So, so…das liest sich aber so gar nicht nach einer andauernden Rezession, oder?

Heute auf der Agenda:

Lufthansa: Neues Analystenvotum

Die Analysten der UBS haben ihre Einschätzung zu Lufthansa um glatte 180 Grad geändert. Die Schweizer stuften die Papiere auch gleich doppelt ab – von „Buy“ auf „Sell“! Das neue Kursziel sehen die Eidgenossen nun bei 5,85 Euro! Das sind ganze 2 Euro tiefer als die Tiefs vom 22. März! Der Analyst Jarrod Castle sieht infolge der Corona-Krise nun einen massiven Verlust an Aktionärswert und erwartet, dass das Ergebnis je Aktie noch bis ins Jahr 2022 negativ bleiben wird. Also ich bin ja auch etwas verhalten bei Lufthansa, aber Jarrod meine Güte, 5 Euro? Ernsthaft?  Oder wollen die Schweizer die LH übernehmen?

TUI: Viel Ungewisses

Auch bei TUI wird etwas Luft abgelassen heute. Kein Wunder, nach der Rally. Hintergrund sind die vielen Unklarheiten hinsichtlich der Reisemöglichkeiten. Es blickt ja auch keiner mehr durch:

Die Bundesregierung will für mehr als 160 Länder außerhalb der EU die Einschränkungen bis zum 31. August verlängern. Es sollen aber gegebenenfalls Ausnahmen gemacht werden. In einem Kriterienkatalog dafür sollen die Entwicklung der Infektionszahlen, die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme, Testkapazitäten, Hygieneregeln und Einreisebeschränkungen berücksichtigt werden. Für 26 Partnerländer der EU sowie das gerade aus der EU ausgetretene Großbritannien und die vier Staaten des grenzkontrollfreien Schengenraums, die nicht Mitglied in der EU sind (Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein), wird alles wie früher, für 29 Länder erfolgt die Aufhebung am 15. Juni, für Spanien und Norwegen aber erst später. Anschließend gibt es nur Reisehinweise, was auch bedeuten kann, dass von touristischen Reisen abgeraten wird. Dazu zählen auch Hauptreiseländer der Deutschen, allen voran die Türkei, aber auch Ägypten, Marokko oder Tunesien. Also eines ist sicher, ich bleibe diesen Sommer zuhause! TUI kaufen? Nein, ich warte jetzt erst einmal ab.

Continental auf Sparkurs

Der Autozulieferer Continental wird wohl einige 100 Mio. Euro sparen müssen. Zitat Elmar Degenhart: „Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Kündigungen komme, sei sehr, sehr hoch“. Conti habe „keine andere Wahl, als variable wie fixe Kosten anzupassen“. Conti hatte bereits Anfang Mai bei der Veröffentlichung des Quartalsberichts wegen des wochenlangen Stillstands der Produktion alle Ausgaben und Investitionen auf den Prüfstand gestellt. Ist zwar brutal, aber die Börse mag solche Nachrichten, weil sie andeuten, dass das Problem erkannt wurde. Auch hier erst einmal abwarten!

Commerzbank im Schwitzkasten

Der Finanzinvestor Cerberus hat die Schnauze voll bei der Commerzbank und fordert in einem Brief an den Aufsichtsrat einen Kurswechsel. Zitat: „Die prekäre Situation der Commerzbank erfordert jetzt schnelles und entschlossenes Handeln.“ Es sei an der Zeit, endlich neue Ideen und Energien einzubringen, damit die Bank eine Perspektive für die Zukunft hat. In einem ersten Schritt verlangt Cerberus, der nach eigenen Angaben 5% an der Commerzbank hält, zwei Sitze im Aufsichtsrat, um die angesprochenen Veränderungen anzugehen. Oha, jetzt wird es langsam ungemütlich. Aber ganz ehrlich, was soll das denn bringen? Die Zukunft es Banking liegt doch ganz woanders, siehe Amazon weiter unten!

Kurz und aktuell von der Wall Street:

Teslas neue Rechnung

Gestern Abend habe ich mich noch einmal mit Tesla auseinandergesetzt. Insbesondere der Frage nach den zukünftigen Absatzzahlen der unterschiedlichen Modelle bis ins Jahr 2022 Addieren wir das Ganze einmal zusammen: 60 Mrd. Dollar für Model Y weltweit, 25 Mrd. Dollar für Model S, X, und 3, weitere 25 Mrd. Dollar für den Cyber-Truck sowie $ 16 Mrd. Dollar für Shanghai Model 3 = 136 Mrd. Dollar Gesamtumsatz per 2022. In diesem Licht erscheint der Börsenwert i.H.v. von 174 Mrd. Dollar gar nicht mehr so utopisch, oder? Ich erhöhe mein Kursziel von 1.500 auf 2.000 Dollar per 2022. Warum? Könnt ihr hier nachlesen.

Eine Amazon-Bank?

Jeff Bezos wird immer mehr zum Banker! Nun soll es bald ein neues digitales Kreditangebot für in den USA ansässige Händler geben. Partner ist Goldman Sachs. Kleinunternehmer, die Artikel auf der Plattform des E-Commerce-Riesen verkaufen, können sich dann für Kreditlinien von bis zu 1 Million Dollar bewerben. Die Kredite werden mit einem festen jährlichen Zinssatz von 6,99% bis 20,99% verzinst und können wie bei einer normalen Kreditkarte gezogen und zurückgezahlt werden. Was hat denn der gute Jeff als nächstes vor? Egal, was es auch ist, ich will dabei sein!

Schönen Feierabend