Last Call! – Der Marktbericht am Abend: Mit Fragen zur US-Präsidentschaftswahl, Wirecard, Carnival, BP, Tesla und Hertz

Guten Abend,

diese Woche steht eindeutig im Zeichen der Atempause. Zudem fehlen wichtige neue Impulse seitens der Unternehmen oder der Wirtschaft und ohne diese fehlt es dem Markt noch etwas an Zuversicht, um die alten Pre-Pandemie-Kurse in Angriff zu nehmen. Das Schöne daran: Zeit zum Durchatmen verschafft Spielraum für die Überlegungen zum zweiten Halbjahr!

Und in diesem dürfte ausnahmsweise wohl nicht ein Virus im Mittelpunkt stehen, sondern die Präsidentschaftswahl in den USA. Ach ja, da war ja noch was, stimmt´s? Galt vor der Pandemie die Wiederwahl Trumps schon fast als ausgemachte Sache, ist das jetzt nicht mehr der Fall. Trump hat zahlreiche Fehler begangen, auch aus Sicht seiner Anhänger. Seine Popularität ist entsprechend gesunken, auch wenn meine Erfahrungen zeigen, dass solche Umfragen keinen Wert haben. Zu groß sind die Bandbreiten und zu unstet ist der Wähler. Entschieden wird am Wahlabend, alles davor ist nur Tam-tam und Medienspektakel, das hat ja schon die letzte Wahl gezeigt. Und wenn die seinerzeitige Reaktion der Wall Street als bedeutend gewertet werden darf, wie sieht es dann eigentlich aus, wenn Biden gewinnt?

Zur Erinnerung: Nach Trumps Wahl legte der Dow Jones eine Wahnsinnsrally hin, von 18.000 Punkte auf 26.000 Punkte innerhalb von wenigen Wochen. Alle „Experten“ hatten genau das Gegenteil erwartet und prognostizierten quasi den Weltuntergang, wenn der Blondschopf gewinnen sollte! Und nun? Wenn Trump gewinnt, wiederholt sich die Geschichte, oder kommt es deswegen genau umgekehrt?

Meine persönliche Meinung: Die Wall Street liebt A….löcher! Präsidenten, die einerseits den Bürgern eine rosige Zukunft versprechen, aber zeitgleich bemüht sind, durch radikale Gesetzesänderungen alte Konventionen aufzubrechen, damit neue Dynamik entsteht. Es ist genau das Gegenteil von dem, was der Europäer sich wünscht, nämlich Kontinuität und Stabilität. Diese verspricht Biden und deshalb ist er hier so beliebt. Der durchschnittliche (!) Amerikaner hasst aber den Stillstand, sondern wünscht sich alte Werte, gepaart mit neuem Wachstum. Ob es uns gefällt oder nicht, das hat Donald geliefert: Konfrontation, Konflikte, Reibereien und Streit. Ergebnis: Selten ist die Welt derart aufgerüttelt worden. Die Pandemie ist da nur ein Beschleuniger

Die Lage auf einen Blick:

DAX: Die heutige Indexbewegung sollte man nicht auf die Goldwaage legen. Denn schließlich sagt sie nichts über die tatsächliche Verfassung des DAX aus, sondern eigentlich nur etwas über den Einfluss des „Missetäters“ Wirecard. Denn dieser steuerte heute rund 86 Punkte zum Index-Verlust bei. Ohne dem wäre das weiterhin gültig, was wir gestern schrieben: Die Börse versucht sich an einer Konsolidierung, um möglicherweise in der kommenden Woche mit frischen Kräften die nächste Etappe anzugehen.

Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq: Dass die Märkte tendenziell nach oben wollen, kann man besser in den US-Indices ablesen. Denn diese notierten per Redaktionsschluss wieder leicht im Plus. Noch keine Trendaussage, aber passend ins Gesamtbild. Also auch hier: Vor dem Wochenende das große Rad drehen passt nicht. Nächste Woche sieht das womöglich aber schon wieder ganz anders aus.

Kurz und aktuell:

Wirecard fliegt aus dem DAX! Das ist keine Meldung, sondern eine Forderung von mir! Denn das Ganze erinnert mich langsam alles an EM-TV! Aber selbst nach über 35 Jahren Börsentätigkeit kommt immer mal was Neues aus der Schmuddelecke! Luftnummern, Blasen, Diebstahl, Veruntreuung und glatter Betrug –  alles schon einmal dagewesen. Doch gegen Wirecard verblassen selbst die wildesten Stories der dot.com-Blase! Das operative Geschäft mag zwar im Kern in Ordnung sein, aber mein Urteil ist klar:

Wirecard gehört aus dem DAX geworfen! Ein neues Management sollte umgehend installiert werden, um das Geschäft zu retten und die Story im Rahmen eines Turnarounds neu aufzustellen. Markus Braun sollte alle Posten räumen und Platz schaffen für einen Kopf, der imstande ist, seine Errungenschaften zu retten. Wenn das Vertrauen einmal verloren ist, helfen auch keine Anzeigen gegen „Unbekannt“ mehr. Finger weg von der Aktie! Keine Spielchen, keine Zockerei. Zurzeit haben eh die Short-Spekulanten das Zepter in der Hand! Das ist keine Spielwiese für ernsthaftes Investieren. Wer die Aktien hat, lässt sie liegen! Und betet!

Kurz und knapp von der Wall Street:

Carnival Corp. meldete einen vorläufigen vierteljährlichen Verlust von 3,30 Dollar pro Aktie, der über dem erwarteten Verlust von 1,56 Dollar pro Aktie liegt. Die vorläufigen Einnahmen von Carnival liegen ebenfalls unter dem aktuellen Konsens. Carnival rechnet für die zweite Jahreshälfte mit einem Nettoverlust, sieht jedoch eine wachsende Nachfrage nach Buchungen für 2021. Eben, und nur das zählt! Die Vergangenheit ist im Kurs drin, die Zukunft aber nicht. Noch nicht! Wie immer gilt: an schwachen Tagen kaufen!

Laut einem Bericht der Financial Times hat BP neue Schulden in Höhe von 12 Mrd. Dollar aufgenommen. Der Energieerzeuger hatte Anfang dieser Woche eine Wertminderung seines Vermögens in Höhe von 17,5 Milliarden Dollar angekündigt, nachdem er seine langfristigen Öl- und Gaspreisprognosen gesenkt hatte. Und das wird noch nicht das Ende sein! Wer jetzt noch in Öl und Konsorten investiert, dem kann ich auch nicht helfen!

Tesla  – Jefferies erhöhte sein Kursziel für die Aktie des Autoherstellers von 650 Dollar pro Aktie auf 1.200 Dollar je Aktie. Der Abstand zu Wettbewerbern vergrößert sich sowohl in Bezug auf die Produkt- als auch in Bezug auf die Batterietechnologie. Meine Worte! Und bitte unsere Analyse dazu lesen!

Hertz Global – Die Autovermietung hat den Verkauf von Aktien im Wert von 500 Millionen Dollar eingestellt, nachdem die Securities and Exchange Commission angekündigt hatte, das Angebot zu überprüfen. Ein Insolvenzrichter hatte der Idee letzte Woche zugestimmt, obwohl Hertz gewarnt hatte, dass die Aktien in einem Insolvenzverfahren möglicherweise wertlos werden könnten. Was für ein Schlamassel und für die Marke unwürdig. Finger weg!

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