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Wasserstoff 3.0 – Wer hat die Nase vorn? Mit Plug Power, First Hydrogen, Nel ASA, SFC Energy und ThyssenKrupp Nucera

Im Reigen um die besten Lösungen im Klimaschutz lag der Fokus in den letzten 5 Jahren eher auf erneuerbaren Energien wie Photovoltaik und Windkraft. Nach Abschaltung der letzten deutschen Atommeiler stellt sich aber für die Industrie die Frage nach einer günstigen und vor allem wetterunabhängigen Form der Energieversorgung, auf der Erzeugerseite spricht man von grundlastfähigen Kraftwerken. Diese sind nach wie vor eher fossil betrieben und wegen ihres Ausstoßes von CO2 bei der Klima-Lobby sehr unbeliebt.

Dennoch müssen sie zurzeit am Netz bleiben, um die Grundlastkapazität bereitzustellen. Die Gas- und Ölabhängigkeit sowie der Lastenausgleich über die alten Kohlekraftwerke werden uns also noch einige Jahre begleiten. Große Hoffnung setzt die EU in die Wasserstoff-Technologie und hier vor allem in den sogenannten „Grünen Wasserstoff“, d.h. die energieintensive Spaltung von Wasser muss mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Welche Unternehmen haben hier die Nase vorn?

Wasserstoff 3.0 – Wegbereiter zur Klimaneutralität

Die Europäische Union hat sich gemäß dem Klimaschutz-Protokoll von Paris innerhalb des sogenannten „Green Deal“ verpflichtet, bis 2050 faktische Klimaneutralität zu erreichen. Der schonende Übergang in die neue Zeitrechnung impliziert die Umstellung aller Wirtschaftszweige auf regenerative Energien einschließlich der Energiewirtschaft und der schwer zu dekarbonisierenden Wirtschaftszweige. Die Transformation in saubere Energiesysteme muss die Kriterien Versorgungssicherheit und Erschwinglichkeit sicherstellen.

Dabei stellt Grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, eine ökologische Alternative zu fossilen Brennstoffen dar. Denn er kann für verschiedene Zwecke genutzt werden und dabei einen wertvollen Beitrag in der Wertschöpfung leisten. Geplante Einsatzgebiete sind die Nutzung als Ausgangsstoff für industrielle Prozesse, als Rohstoff für Brennstoffzellen und zur situativen Energiespeicherung. Die deutsche Bundesregierung verdoppelte in der letzten Woche ihr Ziel 2030 zur heimischen Wasserstoff-Produktion. Statt bisher 5 GW sollen hierzulande Erzeugerkapazitäten von 10 GW entstehen. Der politische Anschub ist gemacht, jetzt geht es um die industrielle Umsetzung.

Nel ASA – der Pionier aus Norwegen

Das in 1927 in Oslo gegründete Unternehmen Nel ASA gilt als einer der Pioniere der grünen Wasserstoff-Technologie. Den ersten Elektrolyseur installierte man bereits im Gründungsjahr in einer Fabrik von Norsk Hydro. Mit gut 300 Mitarbeitern erreichte Nel im Jahr 2022 einen Umsatz von 915 Mio. NOK. Über die letzten 5 Jahre konnte dabei ein Erlös-Wachstum von rund 25% per annum erzielt werden, profitabel wird Nel aber voraussichtlich erst im Jahr 2026.

Mit dem stetigen Ausbau der Produktionskapazitäten schafft Nel die Basis für die Realisierung von Großaufträgen. Im zweiten Quartal vermeldete das Unternehmen einen Orderbestand von 2,965 Mrd. NOK. Nel ASA ist sehr gut aufgestellt, große Investoren befinden sich schon lange an Bord und finanzieren das bislang unprofitable Wachstum. Aktuell befinden sich durch mehrere Kapitalerhöhungen respektable 4,1 Mrd. NOK in der Kasse. Jüngst konnten die Norweger sogar einen Auftrag vom U.S. Departement of Defense über 5,6 Mio. USD abschließen. Ein Proof-of-Concept für die Technologien aus Norwegen. Mit dem Staat Michigan besteht eine Kooperation zum Bau einer H2-Gigafactory mit einer Zielleistung von 500 bis 1000 Megawatt.

Für die Aktionäre von Nel ging es seit dem Wasserstoff-Hype Ende 2020 stetig abwärts. Von seinem ehemaligen Höchststand bei 3,40 EUR verlor das Papier bis auf ein Tief von 0,94 EUR im Oktober 2022. Aktuell befindet sich der Wert in einer Erholungsbewegung bei rund 1,20 EUR. Da noch keine Gewinne gemacht werden, ist analytisch eine Kurs-Umsatz-Bewertung von 12 als sehr ambitioniert zu bezeichnen. Sollten große EU-Budgets aus dem REPowerEU-Topf ausgereicht werden, kann Nel auch nur am Rande profitieren, da es kein EU-Mitglied ist. Nel hat wegen seiner guten Marktstellung zwar gute Langfristperspektiven, bleibt aber unter dem Strich eine teure Wette auf einen zukünftigen Boom-Markt.

Plug Power – Der Platzhirsch ist unter Druck

Eine Revolution in der Energieversorgung hat sich auch der US-Riese Plug Power auf die Fahnen geschrieben. Mit großem Aufschlag ging der Wert im Jahr 1999 zu einem Kurs von 15 USD an die Börse, nachdem er über 10 Jahre lang insgesamt 5,4 Mrd. USD an Investorengelder eingesammelt hatte. Während der Techno-Bubble des Jahres 2000 konnte sich der sogar auf 1.500 USD verhundertfachen, allerdings verlor das Papier nach einer ausgeprägten Zwischenrallye im Jahr 2020 dann insgesamt 99,5% an Wert bis auf einen Tiefststand von 6,80 EUR im Mai 2023.

Der Brennstoffzellen-Spezialist mit Sitz im Latham, Bundesstaat New York, wurde 1997 als ein Joint Venture zwischen dem Energieversorger DTE Energy und dem Messtechnikhersteller Mechanical Technology Inc. gegründet. Weil der heutige CEO Andy Marsh in den Jahren 2021 bis 2022 sehr große Versprechungen in seinen Ausblicken formuliert hatte, sieht sich das Unternehmen heute tausenden von Klagen ausgesetzt. Denn die versprochenen Zahlen konnten allesamt nur partiell eingehalten werden. Die Investoren fühlten sich in die Irre geführt und klagten auf Schadensersatz für die üppigen Minusrenditen, die das Unternehmen seit seinem Interimshoch bei rund 60 EUR im Januar 2021 eingefahren hatte. Es geht um mehr als eine Milliarde USD.

In den letzten 3 Monaten konnte sich der Kurs allerdings wieder verdoppeln. Die rund 7 Mrd. USD Bewertung stellen gegenüber der Umsatzprognose von rund 1,9 Mrd. USD in 2024 nur noch eine 3,5-fache Umsatzbewertung in den Raum. Bereits in 2025 soll der erste Gewinn eingefahren werden. Die Chancen stehen aktuell gar nicht so schlecht, denn Plug Power könnte in der möglichen Zuteilung von Förderleistungen aus dem Joe Biden Inflation Reduction Act (IRA) in vorderster Reihe rangieren.

Die US-Wirtschaft hat in Sachen Dekarbonisierung noch einen weiten Weg zu gehen, denn die USA ist bislang mit einem Anteil von 37% der größte Energieverbraucher der Welt. Um dem ganzen Vorschub zu leisten, haben Plug Power und Nel ASA einen Brief an die Biden-Administration verfasst. Unter der Headline: „Wir wollen loslegen!“ fordern sie Mittel aus dem milliardenschweren IRA-Topf, damit es endlich flächendeckend losgehen kann. Plug Power sieht charttechnisch gut aus, wenn die 15-EUR-Marke zurückerobert werden kann. Dazu fehlen noch rund 30%, die es noch schnell zu gewinnen gilt. Spannend!

First Hydrogen – Gute Positionierung als „One-Stop-Shop“

Grüner Wasserstoff steht aufgrund seiner vielfältigen industriellen Anwendungen im Mittelpunkt staatlicher Netto-Null-Strategien und ist eine der am schnellsten wachsenden Technologien für saubere Energie. Wenn man in Sachen Klimaschutz einen großen Hebel sucht, dann könnte ein wichtiges Einsatzgebiet der globale Logistik- und Güterverkehr sein. Denn gerade der energieintensive Transportsektor hat das Potenzial für eine große Wasserstoff-Transformation. Flüssiger Wasserstoff wird bereits mit Langstrecken-Nutzfahrzeugen in Verbindung gebracht. Die Branche hofft, dass die grüne H2-Version auch bald den Fahrzeugmarkt erreicht, indem z.B. den neuen Elektrofahrzeugen eine H2-Hybridkomponente hinzufügt wird. Damit könnte neben den E-Säulen auch an Wasserstoff-Tankstellen getankt werden, der Anwenderkreis steigt damit dramatisch.

Das kanadische Unternehmen First Hydrogen (FHYD) setzt in seiner Strategie beide Gedanken um. In der Provinz Quebec sollen grüner Wasserstoff produziert und wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge montiert werden. Das Unternehmen ist umtriebig und hat bereits in Großbritannien und Deutschland Kooperationspartner aufgetan. Seit Anfang 2023 testet First Hydrogen den federführend entwickelten wasserstoffbetriebenen Transporter (Light Commercial Vehicle „LCV“). Die erste Generation besitzt sogar schon Straßenzulassung. Der britische Flottenmanagement-Anbieter Rivus lobte die getesteten Modelle wegen ihrer Laufruhe und dem angenehmen Fahrverhalten, die zweite Generation soll neben dem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Elektroantrieb auch über einen Batteriebetrieb verfügen.

Zudem weisen die harten Fakten ein klares Plus gegenüber batterieelektrischen Transportern auf. So konnten Reichweiten von deutlich über 500 km erzielt werden. Der Tankvorgang dauert zwischen 5 und 7 Minuten, während Stromer bis zu mehreren Stunden an den Energiesäulen verweilen müssen. Das bekannte britische Versorgungsunternehmen SSE führt die Versuchsreihe an seiner Niederlassung im schottischen Aberdeen fort. Nachdem bisher eher auf batteriebetriebene Transporter gesetzt wurde, könnte nach den Testergebnissen ein Umschwenken auf mit Wasserstoff betriebene Einheiten erfolgen.

In Shawinigan, einer Stadt in Quebec, konnte First Hydrogen einen bedeutenden Grundstücksdeal unter Dach und Fach bringen. Hier will das innovative Unternehmen für Eigenzwecke und die Region Montreal zukünftig jährlich bis zu 35 MW grünen Wasserstoff mittels fortschrittlicher Elektrolyse-Technologie produzieren. Am gleichen Standort sollen die bis zu 25.000 LCVs pro Jahr gebaut werden. Eine Machbarkeitsstudie ist bereits in Auftrag gegeben. Auf umfangreiche lokale Fördermittel kann das Unternehmen setzen, denn für Kanadas Regierung besteht die Herausforderung die starke Abhängigkeit von Öl & Gas in den nächsten Jahren zu verringern und die Gewinne aus dem Handel mit fossilen Energien in eine grüne Zukunft umzulenken.

Mit einer offiziellen Aufnahme in den Reigen der 10 einflussreichsten Unternehmen der Wasserstoffbranche durch den Verband Energy Digital beweist First Hydrogen seine gute Marktstellung. Das Unternehmen wurde in der Auszeichnung in einem Atemzug mit Firmen wie Lhyfe, Siemens, BP, Air Products, Plug Power und der Neom Green Hydrogen Company genannt und zählt damit zu den Vorreitern der Branche, die sich für eine H2-freundliche globale Gesetzgebung einsetzen und technologische Ansätze liefern. Die Investmentbank Goldman Sachs stuft sauberen Wasserstoff in einer aktuellen Studie als einen wichtigen Wachstumsmarkt ein, mit dem die globalen Treibhausgas-Emissionen langfristig um 15% gesenkt werden können. First Hydrogen ist derzeit nur mit 133 Mio. EUR bewertet, das entspricht gerademal ein Fünfzehntel von Nel ASA. Geht die Geschäftsplanung auf, könnte das Unternehmen ab 2026 bereits mehr als 1 Mrd. EUR Umsatz machen.

SFC Energy – Dynamische Entwicklung in Fernost auf dem Plan

Eine große politische Prominenz schart sich momentan um die ersten internationalen Projekte der Wasserstoff-Industrie. Das macht sich gut in der klimagetriebenen Legislaturperiode. Zum Glück ist Deutschland immer noch ein angesehener Technologie-Partner, wenn es um Ingenieursdienstleistungen in Großprojekten geht. Das Münchener Unternehmen SFC Energy hat mit Indien eine entsprechende Partnerschaft eingehen können.

In seiner Internationalisierung-Strategie hat SFC neben Europa sowohl Asien und auch die USA auf dem Plan, denn man möchte am starken Wachstum des H2-Marktes ein gutes Stück vom Kuchen abbekommen. Ein Großprojekt wurde in Anwesenheit von Wirtschaftsminister Robert Habeck in Indien auf den Weg gebracht. Mit dem dortige Partner FCT sollen in den nächsten Jahren Brennstoffzellen im Gegenwert von 100 Mio. EUR gebaut und verkauft werden. Indien befindet sich noch mitten in seiner Transformation „National Green Hydrogen Mission“, die der indische Premier Narenda Modi im Januar ausgerufen hatte.

SFC hat es geschafft, die investitionsträchtige Brennstoffzellen-Fertigung so in den Konzern zu integrieren, dass man nicht wie die Wasserstoff-Pureplayer Plug Power, ITM Power oder Nel erst langjährige Verluste produziert. Denn man konnte bereits im Jahr 2022 schwarze Zahlen schreiben. Investoren lieben solche Nachrichten und setzten den Kurs von SFC Energy in den letzten 4 Wochen um 10% nach oben. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 420 Mio. EUR und einem Kurs-Umsatz-Verhältnis 2023e von 4 gibt es mit steigender Projektzahl auch noch Raum für weitere Aufwertungen.

ThyssenKrupp Nucera – Minister Habeck verteilt Geschenke

Ein bravouröser Börsenstart muss der ThyssenKrupp-Tochter Nucera bescheinigt werden. Nach monatelangem Ringen hatte sich das Unternehmen aus Dortmund dann Anfang Juli aufs Parkett gewagt. Die rund 30,3 Mio. Aktien wurden mit 20 EUR ausgegeben, was das Unternehmen zum Start mit etwa 2,6 Mrd. EUR bewertete. Der Kurs schoss recht schnell bis auf 25 EUR, kühlte sich aber zuletzt wieder auf 22,50 EUR ab. Die Mutter ThyssenKrupp hält nach Ausübung des Greenshoe noch etwa 50,2% der Anteile und will langfristig an Bord bleiben.

Schon die letzten Jahre profitabel ist die Thyssen-Tochter auch ganz gut ins Jahr 2023 gestartet. Im Mai wurde bekannt, dass man innerhalb eines Großauftrags Elektrolyseure für H2 Green Steel liefert. In Schweden soll nun das erste grüne Stahlwerk Europas entstehen, welches gleichzeitig mit einer Gesamtkapazität von 700 Megawatt zu einem der größten Wasserelektrolyse-Anlagen in Europa avanciert. In der letzten Woche erhielt die Konzern-Mutter ThyssenKrupp einen 2 Milliarden-Förderscheck aus Brüssel, um die klimafreundliche Umstellung der Stahlproduktion ermöglichen. Damit soll in Duisburg gezeigt werden, dass es durch den Einsatz von Wasserstoff möglich ist, auch den Stahlsektor als größten industriellen CO2-Verursacher in Deutschland zu dekarbonisieren. Ende 2026 soll die Anlage in Betrieb gehen und jährlich 2,5 Millionen Tonnen Stahl produzieren – zuerst mit Erdgas, dann mit grünem Wasserstoff.

Es darf davon ausgegangen werden, dass auch die frisch notierte Tochter Nucera einiges vom Auftragskuchen für die Wasserstoff-Produktionsanlagen abbekommen wird. Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2022/23 erzielte man einen Umsatz von 306 Mio. EUR und damit gegenüber Vorjahr rund 130 Mio. EUR mehr, das EBIT lag mit 13,3 Mio. EUR bereits im grünen Bereich. Mit dem US-Unternehmen Air Product will Nucera ab 2024 eine 2-GW-Anlage in Saudi-Arabien installieren. Große Aufträge sind wohl nun an der Tagesordnung, die Aktie ist mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 5 gegenüber seinen Branchen-Peers am unteren Rand bewertet. Nucera ist eine schöne, grüne Bereicherung für ein nachhaltiges Depot, man sollte aber aus Bewertungsgründen einen sehr langen Atem mitbringen.

FAZIT

Der Wasserstoff-Sektor tritt gerade aus der Kinderstube. Viele Regierungen weltweit haben ihre Klimaschutz-Ziele formuliert und wollen dem aufstrebenden Industriesektor mit der Vergabe von öffentlichkeitswirksamen Fördergeldern entsprechend politischen Anschub verleihen. Private Investitionen wird es erst geben, wenn der sogenannte „grüne Wasserstoff“ auch auskömmliche Margen in der Produktion und im Handel verspricht. Dafür werden noch ein paar Jahre Forschung notwendig sein, denn aktuell ist die Herstellung von grünem Wasserstoff weder ökologisch noch ökonomisch. Es fehlt massiv an regenerativer Energie. Investoren können aber schon heute durch kluge Streuung von diesem Megatrend profitieren. Die meisten Werte sind hoch bewertet, doch die Volatilität im Sektor bietet auch Kaufgelegenheiten am unteren Band der Tradingrange. Richtig profitabel werden alle Protagonisten wohl erst in ein paar Jahren. Ein Investment mit grünem Anstrich ist es aber allemal.