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Wirecard: Jetzt hilft nur noch ein kompletter Neustart – auch ohne Markus Braun?

Die letzten Tage waren für den Zahlungsdienstleister Wirecard in jeglicher Hinsicht ein Desaster. Das gilt sowohl für die Aktie, die Reputation im Markt und möglicherweise auch für die zukünftigen Geschäftsperspektiven. Wenn man es noch halbwegs freundlich formulieren will: Mit dem Sonderprüfungsbericht von KPMG wollte Wirecard den endgültigen Freispruch von den Vorwürfen der Bilanztrickserei erreichen. Doch am Ende wurde es bestenfalls ein Freispruch zweiter Klasse, weil den Wirtschaftsprüfern – wie sie selbst formulierten – wichtige Informationen nicht vorgelegt wurden.

Das betraf offenbar vor allem das sogenannte Dritt-Partner-Geschäft, wo nach Auskunft von KPMG nur auszugsweise Daten zur Verfügung gestellt wurden bzw. manche Partner sogar regelrecht gemauert haben. Deshalb kamen die Prüfer auch zum Ergebnis, dass sie damit zusammenhängende Umsatzerlöse nicht bewerten konnten, weder ob sie tatsächlich existent sind oder eben auch nicht. Das ganze wurde dann unter dem Begriff „Untersuchungshemmnis“ zusammengefasst.

Wirecard ist klar mit umfassender Entlastung gescheitert

Man kann nur spekulieren, warum gerade dieses Geschäft weiterhin so intransparent gehalten wird. Jedenfalls ist mehr als offensichtlich, dass, wenn sich hier nichts Gravierendes in der Transparenz und auch Kommunikation und Bilanzierung ändert, Wirecard immer wieder anfällig sein wird für entsprechende Vorwürfe. Dass darüber hinaus noch andere Sachen im Untersuchungsbericht bemängelt oder sichtbar offen gelassen wurden, soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Dazu wurde in den letzten Tagen schon genug geschrieben.

Letztlich kann man die ganze Affäre, und so wollen wir es an dieser Stelle auch nennen, auf den einen Punkt gebracht werden: Wirecard hat versucht, die Vorwürfe endgültig auszuräumen und ist damit, wie man auch an der Aktie sehen konnte, kläglich gescheitert. Wobei die Art der Kapitalmarktkommunikation, die wir hier auf der Seite ebenfalls schon stark bemängelt haben, einen wesentlichen Anteil daran hatte, dass die Aktie derzeit so stark nach unten durchgereicht wird.

Was ist so geheimnisvoll an den Dritt-Partnern?

Einfach mal eine theoretische Überlegung: Was könnte hinter den Dritt-Partner-Umsätzen schon stecken, wenn es sie denn gibt? Immer noch Porno oder Glücksspiel? Und wenn schon, wir sollten eigentlich bereits in einer recht aufgeklärten Welt leben. Natürlich sind solche Geschäfte für einen DAX-Konzern nicht gerade ein Ruhmesblatt. Hier sollten sich die Unternehmensstrategen sicherlich überlegen, ob man diesen Geschäftsbereich nicht endlich loswird. Aber wie gesagt, das sind nur theoretische Überlegungen.

Viel wichtiger erscheint, dass Wirecard trotz aller Lippenbekenntnisse eben nicht die nötige Transparenz zeigt, die ein DAX-Konzern an den Tag legen sollte. Und daran scheint einen nicht unwesentlichen Anteil Großaktionär und Vorstandsvorsitzender Markus Braun zu haben. Kein Wunder, dass aktuell neben dem Shortseller-Hedgefund TCI auch immer mehr andere Investoren den Rücktritt fordern.

Wird Wirecard bald ganz andere Sorgen haben?

Denn eins ist klar: Nach so viel verpassten Chancen, die Sache zu bereinigen, wird es sehr wahrscheinlich keine weitere geben, wenn nicht endlich tatsächlich geschäftliche und personelle Konsequenzen gezogen werden. Denn in dieser ganzen Angelegenheit dürfte auch das Problem stecken, dass sich aktuelle und potenzielle Kunden womöglich anderweitig orientieren. Denn der Markt für Zahlungsdienstleister ist nun mal hart umkämpft. Wirecard konnte bislang sicherlich auch durch sein starkes Standing in Asien und anderen Emerging Markets punkten. Doch das ist nicht in Stein gemeißelt.

Fazit: Wenn es Wirecard nicht gelingt, hier einen rigorosen Neubeginn zu starten, wird irgendjemand dem Unternehmen das Heft des Handelns am Ende aus der Hand nehmen. Sei es ein feindlicher Käufer, seien es die Investoren. Aktuell jedenfalls würde es uns nicht wundern, wenn die Aktie weiter nach unten durchgereicht wird und auch die Unterstützungszone bei rund 83 Euro nicht hält. In der jetzigen Situation würden wir auf jeden Fall sagen: Finger weg!